Respekt und Wertschätzung fehlt

DHB Schiri Thorsten Kuschel hält den Spiegel den Motzköpfen vor die eigene Nase

Bei einem Spiel der weiblichen C-Jugend traut sich ein Jungschiedsrichter in der Halbzeit nicht mehr, alleine auf das Feld zurückzugehen, um das Spiel zu Ende zu leiten. Ein anderer Jungschiedsrichter wird von einem Elternteil während und nach dem Spiel bedrängt und bedroht. Zwei Fälle, die Thorsten Kuschel beim Verbandstag der pfälzischen Handballer in Haßloch den Delegierten vortrug. In einer flammenden Rede, die wir auszugsweise veröffentlichen, hielt er Erwachsenen, Trainern und Zuschauern den Spiegel vor.

Kuschel merkt an, dass es sich um Jugendspiele in Spielklassen handelt, in denen auch die Ausbildung der Spieler noch nicht allzu weit fortgeschritten ist. Und legt los:

„Welche Schiedsrichter sollen hier eingeteilt werden? Und warum sind, Eurer Meinung nach, die Jungschiris so häufig mit der Spielleitung überfordert? Setzen wir in Jugendspielen die ,Alten’ an, sind sie den Vereinen zu alt – die kommen ja gar nicht mehr hinterher; die ,Jungen’ sind zu unerfahren und den steigenden Anforderungen auch in den untersten Spiel- und Jugendklassen, Eurer Meinung nach, (noch) nicht gewachsen.

Es ist uns nicht möglich, für jedes ,brisante Spiel’ (von denen es neuerdings offensichtlich sehr viele in unserem Jugendspielbetrieb gibt!) einen Oberliga-, Drittliga- oder Bundesliga-Schiedsrichter abzustellen – und zur Schande erntet auch dieser Kritik, wenn er Einsatz für die Jugend im eigenen Verband zeigt.

Worum geht es Euch im Jugendspielbetrieb eigentlich wirklich? Um den Gewinn der Weltmeisterschaft? Oder doch eher darum, dass Kinder Handball spielen und Freude am Ausüben ihres Sports haben? Wir fragen uns, ob Euch eigentlich bewusst ist, welche Aufgaben ein Schiedsrichter allein aufgrund seiner Rolle in jedem Spiel zu erfüllen hat; und welche Aufgaben ihm zusätzlich aufgebürdet werden, weil die übrigen Beteiligten keine Verantwortung mehr übernehmen wollen.

Er hat dafür zu sorgen, dass der Spielbericht korrekt ausgefüllt ist. (Er muss den Beteiligten hinterher rennen, um alle möglichen Informationen, fehlende Pässe und Unterschriften einzutreiben). Er hat zu prüfen, ob die Ausstattung der Spieler korrekt ist. (Er muss daran erinnern, dass Ohrringe ausgezogen, Klämmerchen abgeklebt sind und nicht ,grün’ gegen ,grün’ spielt mit grünen Offiziellen auf der Bank; die Technische Besprechung, in der das geregelt werden sollte, fällt nicht selten aus, weil die Verantwortlichen sich schlichtweg weigern.)Er hat das Spiel zu leiten, fair und gerecht auf beiden Seiten, fehlerfrei am besten. Er muss alle Aktionen angemessen und richtig ahnden. Er muss übel foulende Spieler in den Griff bekommen, die es nicht besser gelernt haben; er muss wild gewordene Trainer im Zaun halten; er muss Konflikte zwischen Spielern und zwischen Trainern lösen – und das möglichst elegant, nicht arrogant! Er muss schauen, dass Zeitnehmer/Sekretär ihre Aufgaben erfüllen, schließlich ist er am Ende verantwortlich für alles.

Er muss jederzeit jegliche Art von Kritik aushalten, die seine Leistung nicht beeinflussen darf. Er muss nach dem Spiel freundlich lächeln und mit dem Kopf nicken, während ihm noch mal so richtig die Meinung gegeigt wird.

Der Schiedsrichter hat keine Mannschaft, keinen Trainer und keinen Betreuer, der das mit ihm zusammen durchsteht. Viele Erwachsene kommen nicht mal in ihrem normalen Leben mit solchen Anforderungen zurecht. Ihr erwartet aber von Jugendlichen (zwischen 13 und 17 Jahren), dass sie all dies lösen und aushalten.

In anderen Fällen wird immer wieder der Schutz der Spieler als Grund genannt, warum auf eine bestimmte Weise reagiert wurde. Wir sind definitiv für den Schutz der Spieler. Aber warum ist allein der Schiedsrichter dafür verantwortlich? Warum können die (erwachsenen) Trainer und Betreuer nicht auf ihre Mannschaften einwirken und mit ihren Spielern Fairness besprechen und einüben? Warum können die Trainer nicht miteinander kommunizieren, um die Emotionen – die definitiv auch zu unserem schönen Sport gehören – wieder in angemessene Bahnen zu lenken? Warum muss ein Jugendlicher der Prellbock für all das sein, was wir Erwachsenen nicht regeln können?

Dass Jungschiedsrichter nervlich einbrechen, wenn so eine Verantwortung auf ihnen lastet und sie zusätzlich noch starkem Druck ausgesetzt sind, ist für uns kein Wunder.

Es stellt sich uns letztendlich die Frage, ob denn nicht die Erwachsenen in der Bringschuld sind, den Kindern und Jugendlichen das, worum es wirklich geht, mit auf den Weg zu geben. Ist es nicht unsere Aufgabe, unseren Spielern und Jungschiedsrichtern Fairness, Menschlichkeit und einen respektvollen Umgang mitanderen beizubringen? Manche Eltern sollten sich vielleicht überlegen, ob sie ihre Aggressionen nicht besser zu Hause oder im Wald loswerden. Anstatt Jugendliche, die eigentlich ihren Schutz verdienen, zu beleidigen, zu beschimpfen oder auch ,nur’ über sie zu lachen.

Kaum einer weiß aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, Schiedsrichter zu sein. Und noch weniger wissen diejenigen, die sich so verhalten, was sie mit ihrem Verhalten anrichten. Wundert es euch ernsthaft, dass diesen Job keiner mehr machen will?

Kritik ist erlaubt und erwünscht, Emotionen gehören zum Spiel und machen den Sport aus. Worum es uns geht, ist, zum Nachdenken anzuregen für ein besseres Miteinander, für mehr Wertschätzung, Respekt und Menschlichkeit in dem Sport zu sorgen, den wir alle lieben und der uns verbindet.“